Bedrohlicher Tanz auf dem Drahtseil
29. Neujahrsempfang des KSB: Vereine zwischen Tradition und Professionalisierung
Gütersloh(jed). Einen Verein – egal welcher Größe, Güte, Kategorie – ausschließlich mithilfe ehrenamtlicher (Vorstands-) Mitglieder am Leben zu halten, gleicht immer mehr einem lebensbedrohlichen Tanz auf dem Drahtseil. Beim Kreissportbund, Sprachrohr von mehr als 300 Vereinen im gesamten Kreisgebiet, sind die diversen von der Mitgliedergewinnung bis zur schwierigen Suche nach Übungsleitern reichenden Sisyphusaufgaben nicht verborgen geblieben.
Das Hauptthema des wie immer vom Vorsitzenden des Kreissportbundes (KSB) Hans Feuß mit launigen Worten moderierten 29. KSB-Neujahresempfangs am Sonntagvormittag in der Rotunde des Kreishauses war deshalb mit dem Titel »Zwischen Tradition und Professionalisierung« überschrieben. 25 Minuten lang erläuterte Dr. Christoph Niessen als Vorstandsvorsitzender des Landessportbundes NRW Wege zur Zukunftssicherung des organisierten Sportes.
Im Grunde nahm der Gastredner damit den Ball auf, den der Stadtsportverband gemeinsam mit der Stadt Gütersloh beim »2. Gütersloher Sportgipfel« im März 2016 mit seinem kürzlich beendeten Vorzeige-Projekt »Verein(t) in die Zukunft« angestoßen hatte. TuS Friedrichsdorf, DJK Gütersloh, SV Avenwedde, FSV Gütersloh, Keglervereinigung Gütersloh/Rheda sowie der TV Isselhorst hatten im Rahmen eines eineinhalbjährigen Beratungsprozesses ihre organisatorischen und personellen Strukturen fit für die Zukunft gemacht. »Die Welt hat sich komplett gedreht. Was vor 20 Jahren im Sport funktioniert hat, geht schon lange nicht mehr«, lauscht die TVI-Vorsitzende Gabi Neumann genau so gespannt wie die gut 250 Gäste aus Vereinen, Verbänden und Politik den Anregungen des Ehrengastes.
Angesichts immer mehr um sich greifender Probleme wie dem Verlust des Sportmonopols, ständig wechselnde Trends, oft veralteter Sportstätten oder Konkurrenz beim Kampf um die Finanzierungsquellen forderte der LSB-Vorstandsvorsitzende zum Umdenken auf. Als Maßnahmen zur Neuorientierung »egal ob im über 3000 Mitglieder großen TV Verl oder dem Schachverein Künsebeck mit zehn Mitgliedern«, listete der ehemalige Handballer »die Orientierung am gesellschaftlichen Bedarf«, die Gewinnung neuer Zielgruppen, aber auch marktorientiertes Handeln, »Finanzmanagement statt Schatzmeistertum« sowie »Messbarkeit und konkrete Zielvorgaben wie bei jedem Wirtschaftsunternehmen« auf. Als einer der relevantesten Punkte empfahl Dr. Niessen die Anpassung der »oft lächerlich geringen Mitgliedsbeiträge auf ein gerechtfertigtes Niveau«.
Für eine andere wichtige Aufgabe des Sports, der Integration von Flüchtlingen und Menschen mit Migrationshintergrund, wurden fünf Vereine besonders geehrt. Der TuS Ravensberg Borgholzhausen, der Gütersloher Turnverein, der SC Halle, die DLRG Harsewinkel sowie der TV Verl hatten sich freiwillig für das im Dezember 2016 vom Deutschen Olympischen Sportbund und dem KSB gestarteten Projekt »Engagement für Vielfalt« beworben. Seit dem kümmern sich die vom Landessportbund dafür geförderten offiziell Stützpunktvereine durch Angebote wie Cricket (Borgholzhausen), Volleyball (Halle), Offene Schwimmangebote (DLRG Harsewinkel), Judo (GTV) oder »Eine Halle für alle« (TV Verl) um die Eingliederung von Neu-Mitbürgern. Die Wichtigkeit von Sport als soziales Bindeglied und verbindende Klammer unterschiedlichster Gesellschaftsschichten war dabei für Landrat Sven-Georg Adenauer offensichtlich: »In diesem Kreis über die Bedeutung des Sportes zu referieren, wäre wie Käse nach Holland zu rollen, oder Krokodile nach Australien zu befördern«.