Kommentar

Mitgliedsbeiträge: Solidarität von oben nach unten

Der Herzebrocker SV hat es getan, der SCW Liemke auch. Folgen jetzt andere Sportvereine diesen Beispielen und erklären den Verzicht auf Teile der Mitgliedsbeiträge im Corona-Jahr?

Die Rechtsgrundlage ist zwar nicht letztinstanzlich geklärt, aber eine Tendenz gibt es schon: Anders als bei Kosten für spezielle Kursangebote oder Teilnahmegebühren für bestimmte Veranstaltungen (Volksläufe, Trainingscamps) besteht für Mitglieder von Sportvereinen kein grundsätzlicher Anspruch auf Erstattung oder Erlass von Beiträgen, weil das Sportangebot aufgrund behördlicher Anordnungen wegen der Corona-Pandemie nicht stattfinden kann. Mit der Zahlung des Beitrags erwirbt das Mitglied keinen Anspruch auf eine Gegenleistung in Form von Trainings- oder Wettkampfangeboten. Wäre das übrigens so, und würde man eine realistische Rechnung aufmachen, müssten die Beiträge angesichts von Umfang und Qualität des von Vereinen und Verbänden organisierten Sportangebots um ein Vielfaches höher liegen. Beiträge sind vielmehr dafür gedacht, dass die Gemeinschaft Gleichgesinnter, also der nicht gewinnorientiert arbeitende Verein, seine satzungsgemäßen Ziele verfolgen kann. Wer mit denen nicht mehr übereinstimmt oder sie nicht weiterhin unterstützen will, kann seine Mitgliedschaft zu den vorgegebenen Fristen kündigen. Ein Sonderkündigungsrecht wegen der Corona-Krise gibt es nicht.

Bei dem Verzicht auf zwei (Herzebrock) und gar sechs Monatsbeiträge (Liemke) handelt es sich also um eine freiwillige Entscheidung der Vereinsvorstände. Sie ist in beiden Fällen aus eigenem Antrieb getroffen worden und nicht etwa, weil Mitglieder ihren Unmut kundgetan und mit Austritt gedroht hätten.

Diese mutigen Entscheidungen nötigen zunächst einmal Respekt ab. In Zeiten, in denen jeder versucht, erstmal seine eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen, beweisen die Vereinsführungen gewissermaßen Solidarität von oben nach unten. Höchstwahrscheinlich bedeutet das für viele Mitglieder eine ganz konkrete und häufig sogar notwendige Ersparnis, denn die Corona-Krise wird allen noch spürbar ans Portemonnaie gehen – wenn sie es nicht schon längst hat.

Ob es sich ein Verein leisten kann, auf Einnahmen in fünfstelliger Höhe zu verzichten, hängt von seiner grundsätzlichen wirtschaftlichen Situierung und der aktuellen Situation ab. Das kann nur jeder Vorstand für sich entscheiden. Niemand muss sich jetzt in Zugzwang fühlen. Es gibt sogar sehr gute Gründe, gerade jetzt nicht leichtfertig auf Einnahmen zu verzichten, denn es kommen womöglich noch ganz andere Belastungen auf den Vereinssport zu.

Der öffentlich erklärte Verzicht auf Teile des Jahresbeitrags hat neben dem finanziellen Aspekt (den es abzuwarten gilt, denn viele Mitglieder werden ihrerseits Solidarität von unten nach oben beweisen und auf das „Geschenk“ verzichten) noch eine andere Dimension: Es ist ein wertvolles Signal an jeden Einzelnen in der Gemeinschaft Gleichgesinnter, nicht allein gelassen zu werden. Das könnte sich auszahlen, wenn es in unbekannter Zukunft darum geht, den Wiederaufbau des Vereinsbetriebs zu bewerkstelligen.

Wolfgang Temme